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Samsara — der "zyklische" Modus der bedingten Entstehung

Samsara beschreibt ein Grundmuster des Lebens, das wir normaler Weise nur zu gut kennen: Es ist das Pendeln zwischen Freude und Leid, Gewinn und Verlust, Liebe und Hass, Macht und Unterdrückung einschließlich jener größeren Zyklen von Geburt und Tod, Aufstieg und Verfall, Evolution und Involution, wie sie auf individueller, gesellschaftlicher und vielleicht sogar kosmischer Ebene stattfinden. Diese Art des zyklischen bedingten Entstehens und Vergehens vollzieht sich als Aktion und Reaktion zwischen Gegenpolen. Wenn wir unser Leben aus der Vogelperspektive betrachten, können wir sehen, wie es zwischen derartigen Polen hin und her pendelt — Hoffnung und Enttäuschung, Mut und Verzweiflung, "Stirb und Werde". In dieser Pendelbewegung mag es durchaus lange Phasen größeren und scheinbar anhaltenden Glücks geben. Irgendwann aber erschöpfen sich die unser Glück verursachenden Bedingungen, und die Seligkeit schlägt in eine neue Periode von Leiden und Frustration, vielleicht auch "nur" von Langeweile um.

Bezogen auf unser eigenes Leben können wir im zyklischen Modus der Bedingtheit den "reaktiven Geist" am Werk sehen. Der reaktive Geist handelt nicht spontan aus inneren Reichtum heraus, sondern er bedarf äußerer Reize und Anstöße, um in Gang zu kommen. Er wird aktiviert und er re-agiert. Meistens sind es die fünf Körpersinne — sehen, hören, riechen, schmecken, tasten-fühlen — die den reaktiven Geist aktivieren: Ich blättere in der Zeitung. Eine Annonce fällt mir ins Auge. Ein Bild, vielleicht auch ein Slogan weckt meine Aufmerksamkeit und damit meine bisher nur latente Begierde nach einer lustvollen Erfahrung. Gleichgültig, was da genau angepriesen wird, mein Wünschen ist geweckt — wenn es nicht ohnehin schon, unterhalb der Schwelle meiner bewussten Wahrnehmung, den Blick auf die Anzeige gelenkt hat — und ich fühle mich gedrängt irgendetwas zu tun. Selbst wenn ich mich entscheide, nicht das zu tun, wozu die Anzeige mich auffordert, gibt es doch nun einen Impuls "mir etwas zu gönnen" — ich bin aktiviert worden. Vielleicht re-agiere ich mit einer Ausweichhandlung und bereite mir eine Tasse Kaffee. Vielleicht werde ich mir auch dessen bewusst, was da gerade geschieht, halte kurz inne, spüre nach innen und lasse die Spannung und das Festhalten los, das ich da wahrnehmen kann. Im ersten Fall war "ich" re-aktiv und im zyklischen Modus der bedingten Entstehung gefangen. Im zweiten Fall eröffnet sich — vielleicht — die Chance zu wachsen und aus dem zyklischen Modus auszubrechen.

Der reaktive Geist ist abhängig und den auf ihn einwirkenden Bedingungen mehr oder weniger hilflos ausgeliefert. Er wird von ihnen gegängelt, ja geradezu gerädert und in seiner Kreisbewegung angetrieben. Es handelt sich um eine Art "Münzautomaten-Mentalität": Oben wird eine Münze eingeworfen, ein Knopf wird gedrückt, und unten kommt eine Packung heraus. Leider enthält die Packung nur selten das, was wir uns von ihrem Inhalt versprochen hatten. Unser vages Begehren hat eine Art von Erfüllung in die wunderschöne Verpackung hinein projiziert, der die Wirklichkeit nicht gerecht wird. Mag es auch nicht gleich zu einer bitteren Enttäuschung kommen, so bleibt doch ein fader Nachgeschmack zurück oder das Gefühl einer inneren Leere, die gesättigt werden möchte. Hungrig scannen wir die Umgebung auf der Suche nach neuen Glückspotenzialen.

Das gilt in praktisch allen Lebensbereichen.

Vor allem aber ist der reaktive Geist sich seines Tuns nicht wirklich bewusst. Was auch immer er tut, geschieht, ohne dass er wirklich weiß, was er gerade tut. Bildlich gesprochen ist der reaktive Geist ein schlafender Geist. Menschen, die von ihm beherrscht werden, können daher auch eher als schlafend denn als wach bezeichnet werden. In einer Art Schlafzustand leben sie ihr Leben ab; quasi schlafend essen, trinken, reden, arbeiten, spielen, wählen und lieben sie; in demselben Zustand des Schlafens lesen sie sogar Bücher über Buddhismus und versuchen zu meditieren. Wie bei Schlafwandlern, die mit offenen Augen umher gehen, scheint es nur so, als ob sie wach seien. Man kann so weit gehen und behaupten, dass manche Menschen so tief schlafen, dass sie bei aller scheinbaren Geschäftigkeit doch wie tot wirken. Ihre Bewegungen gleichen eher denen einer Puppe oder eines Roboters mit seinen Steuerungssystemen, als denen eines sich seiner selbst gewahren Menschen. Mit genau dieser Erkenntnis aber — dass wir uns unserer bisherigen Unbewusstheit oder der Tatsache bewusst werden, dass wir noch schlafen — beginnt das spirituelle Leben.
(Sangharakshita)***

Im Rahmen des zyklischen Modus der bedingten Entstehung sind durchaus unterschiedliche Erfahrungen möglich. Das mit der reaktiven Lebensweise zwangsläufig verbundene Leiden ist keineswegs immer offensichtlich — von furchtbaren Schmerzen bis zu lang anhaltender, aber letztlich ebenfalls vergänglicher himmlischer Lust ist alles möglich. Ausschlaggebend in Bezug auf das Anliegen des Buddha ist, dass dies alles "diesseits" von Erleuchtung liegt. Mögen manche Freuden und Genüsse der höheren Bereiche von Samsara auch so attraktiv erscheinen, dass wir uns nur zu gerne mit ihnen für alle Zeit "bescheiden" würden — sie sind nun einmal nicht von Dauer und könen unseren existenziellen Hunger nicht ein für alle Male stillen. Unsere schönsten Hoffnungen werden im samsarischen oder zyklischen Modus der bedingten Entstehung wieder und wieder zunichte gemacht. Irgendwann geht auch die köstlichste Erfahrung zu Ende, und selbst wenn ihr Ende gar nicht abzusehen ist, verliert sie doch aufgrund unserer Gewöhnung an sie allmählich ihren Reiz, und eine neue Phase des Sehnens und Sorgens beginnt.

Die bekannteste analytische Darstellung des zyklischen Modus ist die Serie von zwölf nidanas oder ‚grundlegenden bedingenden Faktoren’, die man auch bildlich im Lebensrad [[[führt zu Bild]]]< oder bhavachakra, dem "Rad des Werdens" dargestellt findet. Das Rad des Werdens ist im Westen vor allem als "tibetisches Lebensrad" bekannt; es kommt aber weder ursprünglich aus Tibet noch ist es in seiner Verbreitung auf Tibet beschränkt. Im bhavachakra bilden die zyklischen, bedingenden Faktoren den äußersten Ring des Rades. Zugleich veranschaulicht es mit sehr plakativen Bildern die wichtigsten Typen unterschiedlicher Lebensformen und Erlebnisqualitäten, die uns im Samsara erwarten. Eine ausführlichere Erklärung der zwölf bedingenden Faktoren finden Sie unter dem link zyklische Nidanas[[führt zu „Zyklische Nidanas’, Extra-file — sollte noch überarbeitet werden]]

Es sei an dieser Stelle noch einmal betont, dass es sich bei den bedingenden Faktoren wie auch beim Rad des Wer-dens nicht um ein kosmologisch-ontologisches, sondern eher um ein pädagogisch-didaktisches Modell handelt. Der Buddha und die Lehrerinnen und Lehrer der buddhistischen Überlieferung wollen uns damit zeigen, wie aus spiritueller Unwissenheit oder Blindheit "die ganze Masse des Leidens" entsteht — und wie wir diesen Prozess umkehren können.