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Buddha
Dharma
Sangha

Drei Arten des Leidens

Der Buddha unterschied drei Arten von Leiden:

Erstens: Dukkha-dukkha (Pali; Sanskrit: duhkha-duhkha): Damit meinte er jenes akute Leiden, das wir bei körperlichen Schmerzen oder unangenehmen psychischen Erfahrungen empfinden. Zahnschmerzen tun weh, und dasselbe gilt für unzählige körperliche Empfindungen: Gebären und Geborenwerden, Aufwachsen und Aufziehen, Krankheit, Altern, Sterben sowie sich um Kranke, Alternde und Sterbende zu kümmern. Schlechte Laune tut ebenfalls weh - die eigene nicht weniger als die anderer Leute. Nicht zu bekommen, was wir haben möchten, tut weh, und mit Menschen, Dingen oder Aktivitäten verbunden zu sein, die wir nicht mögen, ebenfalls. Jedes Lebewesen — auch ein Buddha — hat wenigstens ein gewisses Quantum von dukkha-dukkha zu ertragen. Ohne diese Art des Leidens ist Leben einfach nicht zu haben.

Zweitens: Viparinama-dukkha (Pali; Sanskrit: viparinama-duhkha): Diese Art des Leidens ist etwas subtiler als die erste. In gewissem Sinn hat sie mit dem zu tun, was auch als ,Gesetz des abnehmenden Nutzens' bezeichnet wird, das heißt mit der Tatsache, dass alles Bedingte der Veränderung unterliegt. Das gilt für Wünsche nicht weniger als für die Objekte des Begehrens. Was gestern noch beglückte und faszinierte, ist heute schon Besitzstand und Routine geworden und wird morgen vielleicht ein Objekt von gelangweiltem Überdruss sein. Aus der Erfahrung, dass wir selbst und unsere Welt veränderlich sind, wächst die Befürchtung, dass die Dinge schief gehen könnten, die Ahnung, dass wir die Quellen des heutigen Glücks wieder verlieren werden und auch die irritierende Erkenntnis, dass wir selbst ziemlich unberechenbare Mitspieler auf den Märkten der Wunscherfüllung sind. Viparinama dukkha weist somit darauf hin, dass Leiden unvermeidlich ist, solange wir die Tatsache nicht vollkommen akzeptieren, dass Bedingtes sich ändert, sobald sich auch nur eine der es verursachenden Bedingungen verändert.

Drittens: Sankhara-dukkha (Pali; Sanskrit: ...-duhkha): Die Analyse des Buddha geht noch tiefer. Wir können die erste Art des Leidens immerhin etwas mildern, wenn wir bereit sind ,mit Leib und Seele' anzunehmen, dass körperliche und psychische Irritationen nun einmal zum Leben gehören, und wenn wir aufhören uns dagegen zu wehren. Das heißt natürlich nicht, dass wir gleichgültig werden sollten, sondern nur, dass wir Schmerzen, die wir nicht verändern können, möglichst gleichmütig und geduldig akzeptieren. Die zweite Art können wir ebenfalls lindern, wenn wir im Hinblick auf unsere Bedürfnisse und Wünsche reifen und lernen, uns gelassen in die Veränderlichkeit und damit auch die Vergänglichkeit alles Bedingten fügen. Die dritte Art des Leidens beseitigen wir damit aber nicht. In gewisser Hinsicht wird sie sogar erst richtig erkennbar, wenn man angefangen hat, sich mit den ersten beiden Arten zu befassen. Sankhara-dukkha ist gewissermaßen eine tiefere Dimension der ersten beiden Arten. Es ist das Leiden, das aus der irrigen Überzeugung wächst, man habe oder sei ein festes ,Selbst', ein kernhaftes Ich, das — als beständiges ,Subjekt' — die Freuden und Schmerzen des Lebens erfährt. Bei genauer Untersuchung stellt sich dieses ,Ich' oder ,Selbst' als eine Fiktion heraus, eine bloße Vorstellung oder Geschichte, die wir uns so oft erzählt haben, bis wir schließlich auch daran glaubten. So lange wir aber an dieser Vorstellung von uns selbst als substanziellen Wesen festhalten - ,dies ist mein Körper, dies sind meine Fähigkeiten, dies sind meine Wünsche, dies sind meine Probleme .... dies bin ich und dies gehört mir!' - so lange werden wir leiden. In diesem Sinn sind aus Sicht eines Erleuchteten all jene Freuden und Glückserfahrungen schmerzhaft und unbefriedigend, die noch mit dem Glauben an ein Ich oder Selbst einhergehen. Erleuchtung ist Loslassen und Überwindung dieser grundlegenden Selbsttäuschung. Erleuchtete wissen, dass es nichts zu verlieren und nichts zu gewinnen gibt, weil da niemand ist, der oder die etwas verlieren oder gewinnen könnte.

Schon wenn wir ,diesseits' von Erleuchtung tief in uns hineinhorchen, werden wir entdecken, dass mit unserem Ichglauben ein schmerzhaftes Grundgefühl existenzieller Getrenntheit und Einsamkeit einhergeht. Immer wieder versuchen wir vergeblich, diesen Schmerz entweder dadurch zu beseitigen, dass wir unsere Hoffnungen auf Dinge oder Menschen setzen, die wir uns zueigen machen wollen, oder indem wir versuchen, Dinge oder Menschen aus unserem Leben loszuwerden, die uns stören. Das eigentliche Problem sind aber weder diese Dinge noch die anderen Menschen, die wir haben oder nicht haben. Das Problem ist unser Glaube, dass es da ein ,Ich' oder ,Selbst' gibt, das auf diese Weise glücklich werden könnte.

Der Buddha sagte zu seinen Schülern,

Bhikkhus, wo es den Gedanken gibt ,Ich bin', dort entstehen auch die folgenden Gedanken: `Ich bin in dieser Welt; Ich bin so; Ich bin anders; Ich bin nicht ewig; Ich bin ewig; Sollte ich sein? Sollte ich in dieser Welt sein? Sollte ich so sein? Sollte ich anders sein? Möge ich sein! [Möge ich nicht sein!] Möge ich in dieser Welt sein! Möge ich so sein! Möge ich anders sein! Ich werde sein. [Ich werde so sein.] Ich werde anders sein.' Dies, bhikkhus, sind die achtzehn Gedanken, die von einem das innere Selbst betreffenden (ajjhattikassa) Begehren verhext sind (tanhavicaritani).

(Anguttara Nikaya II, 211)

 

So subtil und schwer durchschaubar es auch sein mag, wir leiden wahrscheinlich in jedem Augenblick und auf allen drei Ebenen von dukkha. In der Übung des Dharma geht es aber letztlich nicht um die Auslöschung von dukkha, sondern darum, Erleuchtung oder Buddhaschaft zu erlangen: Dazu müssen wir die Leidhaftigkeit unserer Existenz zunächst einmal umfassend anerkennen. Fortgesetzte Kontemplation und beharrliche Arbeit an jenen gewohnheitsmäßigen Neigungen, durch die wir immer wieder neues Leiden schaffen, werden allmählich dazu führen, dass wir langfristig kein Leiden abgesehen von den unvermeidlichen körperlichen Schmerzen erleben werden, die auch ein Buddha noch hat. Stattdessen lernen wir, positiv und schöpferisch auf jede Herausforderung zu antworten, die sich uns stellen mag.